Wie Meditation in der Krise hilft

Die Geschichte der Meditation begann mit dem Konzept von „jhāna/dhyāna“ im Hinduismus und Buddhismus. In der indischen Yoga-Philosophie beschreibt Dhyāna die höheren Bewusstseinszustände, die durch meditative Versenkung erreicht werden können. Meditation wird aufgrund von eventuellen Vorteilen für mentale Gesundheit, Stressreduzierung, kognitive Leistung und emotionale Regulation erforscht. Der Dalai Lama beschrieb in seinem Buch „Die Welt in einem einzigen Atom: Meine Reise durch Wissenschaft und Buddhismus“,  dass der Buddhismus und die Wissenschaft die Gemeinsamkeit der Wahrheitssuche auf empirischer Grundlage haben. Aufgrund dessen fördert er das Erforschen von Meditation durch das Ermutigen von buddhistischen Mönchen, an Studien teilzunehmen, beispielsweise durch eine Rede in der „Society for Neuroscience“ (Gesellschaft für Neurowissenschaften). Buddhistische Mönche in Tibet meditieren als Teil ihrer buddhistischen Praxis täglich – oft schon seit vielen Jahren. Daher sind sie ideale Teilnehmer für Forschungsarbeiten über Meditation. Einige der Studien, die hier präsentiert werden, sind mit Hilfe dieser Mönche betrieben worden.

Stress

Stress – also hohe physische oder psychische Belastung – führt zu der Aktivierung des sympathetischen Nervensystems, dem „Kampf-oder-Flucht“ Abschnitt des autonomen Nervensystems für automatische Funktionen des Körpers. Die hohe physische oder psychische Belastung, welche Stress darstellt, agiert als Auslöser einer chemischen Kaskade, welche zur Ausschüttung von Kortisol und Adrenalin in die Blutbahn führt. Diese dämpfen Stoffwechselvorgänge, um Energie zu anderen Körperfunktionen umzuleiten. Die Muskeln beispielsweise werden mit mehr Sauerstoff und Blut versorgt, um Leistung zu erhöhen, die Pupillen erweitern sich, um Gefahren leichter zu erkennen usw. Diese Funktionen sind während einer Kampf-oder-Flucht Situation sehr nützlich. Wenn diese allerdings chronisch aktiv sind, kann dies zu reduzierter Immunfunktion führen.

Ein gesundes Immunsystem ist vor allem während der aktuellen Corona-Krise wichtig um nicht oder nur leicht zu erkranken. Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2014 fand Effekte von Meditation auf die negativen Aspekte von Stress. Diese Effekte sind vergleichbar mit denen von anderen stress-reduzierenden Methoden wie Bewegung und Beruhigungstherapie.

Systematische Übersichtsarbeiten stellen das höchste Level von wissenschaftlichen Beweisen dar, da diese nicht nur eine einzelne Studie mit einer begrenzten Stichprobe an Teilnehmern der gesamten Bevölkerung darstellen, sondern eine Übersicht über die gesamte bereits bestehende Literatur über ein gegebenes Gebiet. Darüber hinaus werden sie meist von Autoren verfasst, welche keinen originalen Bezug zu den Forschungsartikeln haben, und somit weniger Interessenkonflikt aufweisen.

Die bereits genannte systematische Übersicht involvierte beispielsweise die Beurteilung von über 18 500 Studien auf diesem Gebiet, und einer finalen Stichprobe von etwa 3 500 Teilnehmern, die das Aufstellen von sehr robusten Schlussfolgerungen erlaubte. Die große Menge an Teilnehmern balanciert die meisten individuellen Unterschiede zwischen Teilnehmern effektiv aus und erlaubt somit die Generalisierung der Tatbestände auf die gesamte Bevölkerung. Anhand dieser Befunde ist Meditation eindeutig als mögliche Maßnahme zur Reduktion von Stress empfohlen worden. Eine weitere Studie von Rosenkranz und Kollegen aus dem Jahre 2012 fand, dass die Stressreduktion als Folge von Meditationsinterventionen direkte reduzierende Effekte auf chronische Entzündungen und somit stärkende Effekte auf das Immunsystem hat.

Risikofaktoren reduzieren

Ein weiterer Aspekt, der die Immunfunktion beeinflusst, ist zum einen Übergewicht und zum anderen Diabetes. Studien deuten deutlich darauf hin, dass Übergewicht mit gedämpften Immunreaktionen zu Infektionen verbunden ist. Gleichermaßen gilt Diabetes laut der World Health Organization (WHO) als einer der Risikofaktoren für den aktuellen Coronavirus- Ausbruch. Diabetes selbst trägt zu Übergewicht bei, während Übergewicht ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes darstellt. Eine 2017 veröffentlichte systemische Übersichtsarbeit und Metaanalyse – eine statistische Zusammenfassung von vorherigen Forschungsarbeiten um die Stichprobensets zu kombinieren und neu zu analysieren – untersuchte die Effekte von Meditationsinterventionen auf Gewichtsverlust und Übergewicht. Diese erneute Analyse von einem kombinierten Datenset von über 1000 Teilnehmern fand einen Effekt, welcher – falls es keinen reellen Effekt von Meditation auf Gewichtsverlust gäbe – nur mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 1/100000 zustande gekommen wäre. Für statistische Signifikanz wird eine Wahrscheinlichkeit von nur 1/20 benötigt „p<0.05“.

Anhand dieser Befunde scheinen achtsamkeitsbasierende Interventionen wie Meditation oder Yoga effektiv für Gewichtsverlust, und somit Prophylaxe gegen Typ-2-Diabetes, zu sein. Erklären, wie Meditieren beim Gewichtsmanagement hilft, lässt sich durch folgende Beispiele. Es erhöht Selbstvergebung für Diät-Ausrutscher und verbessert die Deutung von Gefühlen, beispielweise beim Unterscheiden zwischen Situationen, in welchen man wegen Stress oder Müdigkeit isst, statt wegen Hunger. Es kann auch zu schnellerem Erkennen von fatalistischem Gedankenwegen führen. Das vermeidet Gedankenspiralen wie „Ich habe ein Stück Kuchen gegessen, der Tag ist eh ruiniert, nun kann ich einfach den Rest des Kuchens essen. Vor allem während der Selbstisolierung in der Corona-Krise kann Meditation, eventuell verbunden mit Yoga, eine gute Ergänzung zu einer gesunden Ernährung sein.

Psychische Gesundheit

Die gleiche systematische Übersichtsarbeit, die die Effekte von Meditation auf die negativen Aspekte von Stress gefunden hat, hat ähnliche Effekte auf Angst- und Sorge-Störungen, sowie depressive Störungen, gefunden. Innerhalb von zwei bis sechs Monaten hatte Meditation einen Effekt vergleichbar mit dem von antidepressiven Medikamenten – und das  ohne negative Nebenwirkungen wie erektilen Störungen, Sucht und Entzugserscheinungen!

Zudem hat eine Studie aus dem Jahr 2011 den Effekt von Meditation auf Schmerzen demonstriert. Nach vier Tagen Meditationstraining und anschließender Meditation während schmerzhafter Stimuli reduziert sich das subjektive Schmerzempfinden um 40 Prozent im Vergleich zu normalem entspanntem Sitzen und die Bewertung von Leiden durch den Schmerz um 57 Prozent! Meditation führt zu diesen Effekten durch langfristige neuroplastische Anpassungen in den subkortikalen limbischen Hirnbereichen, welche für emotionale Kontrolle verantwortlich sind. Menschen können Schmerz somit dank Meditation neutral beobachten, statt subjektiv darunter zu leiden.

Meditation ist somit, vor allem während der Corona-Krise sehr hilfreich: sowohl um eine mögliche Infektion durch die immunstärkenden Effekte von Meditation, als auch um den erhöhten Stress, der mit individuellen und kollektiven Aspekten der Krise verbunden ist, besser zu überstehen. Zudem kann Meditation im Zusammenhang mit Bewegung und einer gesunden Ernährung zum Gewichtsmanagement beitragen und dient als Diabetes-Propylaxe und stärkt somit die Resistenz gegenüber Covid-19. Weiterhin kann Meditation gegen Angststörungen, welche durch die Isolierung amplifiziert werden, sowie depressive Störungen, welche durch soziale Distanz und Existenzängste entwickelt werden können, auf dem gleichen Level wie Medikamente helfen.

LW

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