Viele Künstler, Kreative, Veranstalter, Autoren und andere Kulturschaffende können nicht mehr wie gewohnt arbeiten und stehen vor großen Herausforderungen. In dieser Interview-Reihe stellen wir einige von ihnen vor und suchen gemeinsam Lösungsansätze.
Reiner Harscher produziert zusammen mit seiner Frau Karin seit mehr als 30 Jahren Film- und Fotomaterial auf seinen ausgedehnten Reisen in aller Welt. Sein Ziel ist es, Naturlandschaften, die Tierwelt und die Menschen mit ihren unterschiedlichen Kulturen zu dokumentieren. In Eigenfinanzierung erstellt das Ehepaar Filme, Bilder und Geschichten, die Reiner Harscher dann als Live-Multivisionen und Dokumentationen in Film- und Bildform präsentiert. Die Shows werden von ihm auf Kultur-Bühnen, bei Messen, in großen und kleinen Theatern live moderiert. Auch im Hochtaunuskreis gab es schon viele Gelegenheit, sich davon inspirieren zu lassen. Doch weitere Live-Shows kann es auf unbestimmte Zeit erstmal nicht geben. Im Interview geht Reiner Harscher auf Herausforderungen und mögliche Chancen der Corona-Krise ein.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation inmitten der Krise im Hinblick auf den Kulturbereich?
Was in dieser Zeit unschwer zu erkennen ist: Alle, die vor Publikum auftreten oder die in irgendeiner Form in der Reisebranche tätig sind, können zurzeit kaum etwas verdienen. Potenzielle Veranstalter sind verständlicherweise zurückhaltend, neue Buchungen für die nächsten Monate zu tätigen. Viele Menschen, die mit künstlerischen und kreativen Tätigkeiten im Kulturbereich zu tun haben, sind geschäftlich bei Null angelangt.
Welche Wünsche haben Sie für den Kulturbetrieb?
Auch unabhängig von der Krise wünschte ich, dass das Sterben der Kleinbühnen rückgängig gemacht werden könnte. In den letzten Jahren wurden ja leider die Unterstützung dafür stark reduziert. Viele Bühnen wurden saniert, verkauft und vergrößert und die Miete ist für private Kultur-Veranstalter kaum noch bezahlbar.

Wie haben sich Ihr Leben und Ihre Arbeit verändert?
Normalerweise wären wir jetzt mit unseren Präsentationen noch bis Mitte April auf einigen Bühnen in Deutschland unterwegs. Da momentan Live-Veranstaltungen verboten sind, mussten wir unsere Tournee in dieser Saison frühzeitig abbrechen. Ich habe jetzt früher als geplant mit meiner Arbeit an „Marokko – faszinierend, farbig, orientalisch“ begonnen. Das Land und seine interessante Kultur haben wir in den vergangenen drei Jahren intensiv fotografiert und gefilmt. Das Material wird jetzt von mir in eine Live-Multivision und eine Filmdokumentation umgesetzt. Außerdem habe ich nun wieder mehr Zeit, neue künstlerische Objekte für meine Galerie „Fotografie auf Holz“ zu fertigen, das tritt sonst in der Tourneezeit immer etwas in den Hintergrund. Es gibt also in Kürze wieder neue Objekte in der Galerie in der Philipp-Reis-Passage in Friedrichsdorf.
Was machen Sie in der gewonnenen Freizeit und wie halten Sie sich fit?
Momentan habe ich die Möglichkeit, endlich einmal die kleinen Reparaturen im Haus nachzuholen, für die zwischen Tournee- und Reisezeit sonst kaum Zeit bleibt. Um mich zu entspannen und fit zu halten mache ich Gartenarbeit, spalte Kaminholz für den nächsten Winter und laufe in unserem schönen Frühlingswald im Taunus.

Welche neuen Projekte planen Sie?
Eigentlich wollten wir bis Ende des Jahres unser neues Projekt „Südafrika“ fertig fotografiert und gefilmt haben, denn dazu sind schon neue Veranstaltungen gebucht. Doch um realistisch zu sein: die Möglichkeit, im Mai wieder ohne Einschränkungen reisen zu können, sehe ich noch nicht wirklich. Vielleicht aktivieren wir auch einen Plan B in Sachen Reisen und fahren mit dem Wohnmobil nach Schottland, um dort zu arbeiten.
Welche Chancen sehen Sie in der aktuellen Krise?
Vielleicht entsteht durch diese Krise, von der wir nicht wirklich wissen, wie lange sie dauern wird, eine Art Besinnung. Man sollte dann wieder verstärkt kleinere Kulturveranstaltungen, die oft sehr hochkarätig sind, in der unmittelbaren Region besuchen und unterstützen. Man sollte darüber nachdenken, ob eine preiswertere, trotzdem durchaus professionelle Veranstaltung in der Region nicht genauso attraktiv und lohnend sein kann, wie eine Event-Reise in andere Großstädte. Eine Chance in der Krise ergibt sich dann vielleicht dadurch, dass es weniger Event-Tourismus quer durch die Republik geben wird und dafür mehr Angebote vor der eigenen Haustür angenommen werden.

Was ist aus Ihrer Sicht wichtig, um diese herausfordernde Zeit gut überstehen zu können?
Menschen, die ein gesichertes Einkommen oder Reserven haben, können die Zeit einfach mal für sich selbst nutzen – ohne Termine und engen Tageszeitplan. Da bleibt mehr Zeit für Spaziergänge, Sport, musische Tätigkeiten, Lesen, Werkeln und Ähnliches. Je mehr man Tätigkeiten nachgeht, die sich in gedanklicher Distanz von der Corona-Krise abspielen, desto besser kann man sein Leben neu und vielleicht auch erfüllt organisieren. Doch für diejenigen, die sich um ihr wirtschaftliches Auskommen sorgen müssen, das kleiner wird oder gar ausbleibt, von dem eine Familie, ein Unternehmen und Existenzen abhängen, wird es nicht so leicht möglich sein, sich gedanklich derart zu befreien. Man sagt ja, jede Krise biete neue Chancen, aber eben nur für jene, die die Möglichkeiten hatten, sie durchzustehen. Diese Menschen verdienen unsere Solidarität und unsere Unterstützung!
Fotos: Reiner Harscher
Interview: Barbara Altherr